Schritt 4 – Der Plot
Mit dem Plot sind wir bei einem Thema, das uns auf der einen Seite immer sehr wichtig war und auf der anderen Seite auch die Kür zur Pflicht der Con-Organisation darstellt. Uns gingen die Plots anfangs immer recht einfach von der Hand. Trotzdem empfehle ich, sich mal mit der entsprechenden Literatur auseinander zu setzen.
Wir können uns zum Beispiel uns an Aristoteles’ Theorie der Tragödie und deren fünfaktigen Spannungsbogen halten, man kennt das ja alles noch aus dem Deutschunterricht. Wichtiger ist es aber vor allem, sich in gewisser Weise an die Einheit von Zeit und Ort zu halten. Es ist quasi unmöglich, die erlebte Zeit zu dehnen oder zu stauchen und auch der Ort kann nicht wirklich verlassen werden.
Wem dies (wie mir) alles ein wenig zu angestaubt vorkommt, dem empfehle ich „Das Handbuch zum Drehbuch“ von Syd Field. Darin wird in einfachen Schritten erzählt, wie ein cineastischer Plot auszusehen hat. Eine wichtige Regel aus dem Handbuch lautet (und damit sollte man immer anfangen): Wenn Du eine Geschichte nicht in drei Sätzen erzählen kannst, wirst Du sie auch nicht auf 120 Seiten erzählen können.
Wie fängt man also an? Wir haben uns zumeist einen Hauptplot überlegt, für Skelellen war das: Zwei Häuser gleich an Macht (frei nach Shakespeares „Romeo und Julia“), und zwar die Thorwaler- und die Andergastersippe, kämpfen nach dem Tod des alten Hetmanns um den Hetmannsposten. Dieser neue Hetmann muss im Wald die nächstjährige Hetmannseiche schlagen und dabei den alten Pakt mit dem Feenkönig des Waldes (wieder frei nach Shakespeare, diesmal der „Sommernachtstraum“) erneuern. Dazu muss das Ritual rekonstruiert werden, das der alte Hetmann mit ins Grab genommen hat, bei dem dieser mit zwölf Getreuen (frei nach Crichtons „Der dreizehnte Krieger“) in den Wald zieht.
Dazu such man sich relativ unabhängige Nebenplots. Man neigt immer wieder dazu, die Haupt- und die Nebenplots (wie bei Aristoteles’ Einheit der Handlung) miteinander zu verknüpfen. Davon rate ich unbedingt ab. Je mehr unabhängige Plots bei einem LARP parallel laufen, desto einfacher können die Spieler mit einem anderen Plot abgelenkt werden, wenn der eine gerade aus irgendeinem Grund (Spieler noch in der Maske, Wetter, usw.) hängt.
Die Nebenplots sollten unbedingt auf die verschiedenen Spielertypen zugeschnitten werden. Es sollte auf jedem Con etwas Prügelspaß für die Kämpfer geben, und irgendein magisches Phänomen für die Magier. Die anderen großen Gruppen werden immer gerne vergessen, obwohl sie so viel für das Ambiente beitragen: Diebe, Barden, Handwerker, Heiler usw.
Beim Skelellen hatten wir nur relativ wenige Nebenplots (wenn man die 70 Spieler bedenkt), einen Werwolf für die Jäger und Firungeweihten, ein paar versprengte Nostrier und Orks für die Kämpfer und einen Haufen kleiner Animositäten zwischen den Dorfbewohnern.
Der wichtigste Nebenplot war allerdings das Spiel um die Hetmannseiche. Dabei durften nur Teams von genau sieben Spielern teilnehmen. Dieser Glücksgriff, die Bildung von Teams zu genau sieben Spielern, führte schnell dazu, dass Einzelspieler von Kleingruppen angeworben wurden. Etwas Ähnliches sollte man sich immer überlegen: Wie bindet man die Einzelspieler in die Handlung ein? Bei unserem zweiten Con „Raben und Schwingen“ gab es da gewisse Gesandschaften für den Konvent. Wie man die Spieler schlussendlich zur Zusammenarbeit zwingt, hängt vom Plot ab. Das man die Spieler zur Zusammenarbeit in ungewohnten Gruppen zwingt macht aber den Reiz eines Cons für diese aus!
Wie gliedert man also einen einzelnen Plot? Viele LARP-Orgas verwechseln eine Spannungskurve mit einer Geraden. Zu einer guten Handlung gehören dramatische Wendungen, so genannte „Plot Points“, in der Regel sind es zwei pro Plot. Diese Wendungen führen die Handlung in eine andere Richtung. Beim Skelellen war der erste Plotpoint sehr plötzlich, als der Anführer der einen Sippe bei der Begrüßung durch den der anderen Sippe umgebracht wurde. Diese Wendung kam zu früh und zu schnell.
Die zweite Wendung allerdings war das Auftreten eines unehelichen Sohnes des alten Hetmanns mit einer Frau aus der anderen Sippe und wendete die Handlung gut in eine andere Richtung: Nun mussten sich die Spieler endlich um die neue Hetmannseiche kümmern.
Wo und wie platziere ich also solche Plot Points? Wie dehne und stauche ich die Handlung? Das folgende Bild zeigt die das so genannte „Paradigma“ aus dem oben genannten Handbuch zum Drehbuch, angepasst auf eine Conhandlung:
Die Handlung lässt sich grob in drei Akte einteilen. In der Regel (das war auch ein Problem auf dem Skelellen wie auch dem Boroncon) kommt dabei der erste oder der dritte Akt zu kurz. Die Zeitangaben sind zwar (wie üblich auf Cons) nur grobe Richtwerte, trotzdem sollten diese beiden kurzen Akte zusammen ca. die Hälfte der Wachzeit der Spieler umfassen. Mit Wachzeit meine ich die bespielte Conzeit minus den paar Nachtstunden um 4:00 herum, bei denen Spieler in der Regel schlafen.
Für den ersten Plot Point bedeutet das, dass er in der Regel irgendwann am späten Abend oder in der Nacht, wenn alle Spieler schon eine Weile in Rolle sind und die NSCs kennengelernt haben passiert. Dieser Plot Point darf ruhig mit einem Knall passieren. Die Spieler haben sich zu diesem Zeitpunkt eingelebt und warten auf das Abenteuer. Zu beachten ist, dass mit ihm die Handlung gewendet werden muss, dass die Spieler ab dem Zeitpunkt wissen, dass es ein Problem gibt und dieses auch grob kennen. Es bietet sich an, mit dem Rest des Abends den ersten Akt auslaufen zu lassen.
Der zweite Akt teilt sich grob in zwei Handlungseinheiten, in der ersten Hälfte werden die Spieler intensiv das gestellte Problem untersuchen. Irgendwann kommen sie zum zentralen Punkt, bei dem sie herausgefunden haben, was sie zur Lösung beitragen können. Meisten ergibt sich der zentrale Punkt von selber, wenn die Spieler alle bis dann verfügbaren Infos haben. Meistens schwingt sich ein Spieler zum Anführer herauf und versucht dann die Lösung zu koordinieren.
Die zweite Hälfte des zweiten Aktes zeichnet sich dadurch aus, dass die Spieler mit der Lösung beginnen und erste Erfolge erzielen. Dann wird es Zeit für den Dämpfer in Form des zweiten Plot Points. Hier muss etwas passieren, was den bereits geplanten, glücklichen Ausgang der Handlung gefährdet. Das Ziel der Spieler muss sich wieder ändern. Dieser zweite Plot Point ist aber nicht der Höhepunkt der Handlung, er dient dazu, die Spannung nocheinmal ein Stück noch oben zu schieben.
Den dritten Akt, die eigentlich Lösung, sollte man so planen, dass die Spieler sich mit vielen Dingen (Entschlüsselung von Texten usw.) ohne viel SL-Beistand beschäftigen können. denn als SL hat man in der Regel viel mit der Vorbereitung des Finales zu tun.
Wichtig ist es aber auch, nach dem Finale noch viel Zeit zum Auflösen der entstandenen Plotlinien einzuplanen. Ich persönlich neige auch immer dazu, wenn mein Plot gelaufen ist, das Ende des Cons zu verkünden. Das ist nicht nötig, die meisten Spieler merken das selber und lassen das Spiel von selbst auslaufen, während sich die Spielleitung in irgendwelchen unbedeutenden Bauernrollen in der Taverne ihr wohlverdientes Bier gönnt.
Abschließend noch ein paar generelle Tipps noch zum Plot. Zuerst einmal der Bill-Gate-Ismus: „Besser gut geklaut als schlecht selbst gemacht!“ Holt Euch Inspiration aus Büchern, Theaterstücken oder dem Fernsehen. Der Zwang zu „Wir müssen mal was machen, was noch niemand vorher versucht hat“ führt häufig zu schlecht durchdachten und zumeist unlogischen Geschichten. Der grobe Plot und einige seiner Figuren dürfen gerne geklaut werden. Der Unterschied liegt darin, wie ihr die Details modelliert.
Zweitens: Bedenkt das Powerlevel! Der Plot wird nicht mit der Anzahl der Hörner der Dämonen besser. Ob es nun um die Liebesgeschichte zweier Grafenkinder auf einem Reichskongress oder um eine Liebesgeschichte zwischen den Kindern zweier einflussreicher Bauern in Andergast geht. Die Geschichte ist die gleiche. Je mächtiger jedoch der Plot ist, desto schwieriger sind die Special Effects, desto unverzeihlicher sind die Etikette-Fehltritte Eurer NSCs usw. Langweilige Geschichten werden nicht durch bloßes Aufpumpen des Machtlevels und der Special Effects besser (man denke nur an „Independence Day“), sondern durch eine kluge, spannende Geschichten (hier sollte man vielleicht als Gegensatz „Blair Witch Projekt“ nennen).
Drittens: Keine Scheu! Habt Ihr jemals jemanden mit leuchtenden Augen von dem Con erzählen hören, wo seine Aufgabe daraus bestand, dem König Feder und Tinte zu reichen? Ich auch nicht. Spieler wollen getreten werden. Wenn sie kaum geschlafen, wenig gegessen und getrunken haben und dafür die halbe Nacht bei Eiseskälte zusammengekauert im Wald versteckt waren, damit die Orks sie nicht kriegen, wenn ihr Charakter nun eine große eklige Narbe von seinem Kampf gegen den Orkchampion bis zum Ende seines Charakterlebens zu tragen hat, wenn das Schwert seiner Vorväter im Körper des Flammendämons geschmolzen, dann wird er leuchtenden Augen von dem Con erzählen. Ein Freund von mir nannte das „das Stalingrad-Syndrom“. Warum Spieler es so gut finden sich treten zu lassen? – Weil sie es überlebt haben!